1. regionalübergreifende Konferenz am 20.11.2012 in SL

Programm:

Eröffnung und Grußworte

Drik Mitzloff, Mitarbeiter des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Kiel

Wortbeiträge:

Die Geschichte der Schatzkarte zur In-sel-klusion 

Karin Dzienus, kommunale Koordinatorin des Projekts ÜSB in SL-FL

Dr. Marco Boehm, kommunaler Koordinator des Projekts ÜSB in NF

Frühförderung, Blick aus der Praxis

Maren Maibaum, Motopädagogin mit Zusatzqualifikation Entwicklungspsychologie

Erfahrung mit dem „inklusiven“ Schulsystem

Jonny Jakob, Schüler der 12. Klasse der Hannah-Arendt-Schule

Regionale Bedingungen (Transition) im Übergang Schule-Beruf bei Menschenmit Behinderung unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Kompetenz

Martin Krussek, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Flensburg

Prof. Dr. Eberhard Grüning, Abteilung für Menschen mit geistiger und schwerster Behinderung der Universität Flensburg

musikalischer Beitrag der Band „Gangway“

inklusive Musikgruppe der Kappelner Werkstätten (Ansprechpartner: Herr Fegethoff)

Vortrag: Inklusive Schule ist ein Haus der Vielfalt

Prof. em. Dr. Hans Wocken,

Professor emeritus für Lernbehindertenpädagogik der Universität Hamburg

Zeit für Fragen, Anmerkungen und Diskussionen

Moderation: Dr. Wolfgang Sappert, Leiter des Bildungs- und Sportbüros, Stadt FL

informeller Austausch und Ausklang mit Live-Musik, Kaffee und Kuchen

Pressetext der Stadt Flensburg

 

Auf dem Weg zu mehr Vielfalt und Chancengleichheit - Seien Sie dabei!

 

Regionalkonferenz „Übergang Schule und Beruf für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung“

Flensburg.

Die Verzahnung von Unterstützersystemen und die Vernetzung von helfenden Akteuren mit der Wirtschaft sind Grundvoraussetzungen, um den fließenden Übergang zwischen Schule und Arbeitsleben zu gewährleisten. Dies gilt umso mehr, wenn dabei Schülerinnen und Schüler mit einer geistigen oder körperlich-motorischen Behinderung gemeint sind.

 

Wenn es in unserer Gesellschaft um das Thema „Menschen mit Behinderung“ geht, finden sich schnell diffuse Ängste und wenig hinterfragte Vorurteile, da das was anders ist als die Norm, vielen als fremd erscheint. Die wirtschaftlich verwertbaren Ressourcen oder die gesellschaftlichen Kompetenzen der Menschen mit Behinderung bleiben meist versteckt, da bereits die erste Barriere, die „Angst vor dem, der anders ist“ ausreicht, um individuelle Lebenswege komplett zu verbauen.

 

Unsere Aufgabe im vom Land Schleswig-Holstein geförderten Projekt „Übergang Schule und Beruf“ ist es, diese Barrieren gemeinsam aus dem Weg zu räumen, den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Lebens-Perspektiven anzubieten und mit wirtschaftlichen Betrieben einen Blick zu entwickeln, dass eine basale Anlerntätigkeit nicht nur eine erfüllende Aufgabe bedeuten kann, sondern gleichzeitig eine Entlastung und Bereicherung der Arbeit von Fachkräften und Mitarbeiterschaft bedeutet.

 

Neben der täglichen Arbeit der Schulen, der Integrationsfachdienste und der Eltern im Projekt, sind es aber auch große Veranstaltungen, die als Eckpunkte zum Nachdenken, Diskutieren und Weitererzählen anregen wollen.

 

Aus diesem Grund haben sich die kommunalen Koordinatoren, Karin Dzenius vom Kreis Schleswig-Flensburg, Dr. Marco Boehm vom Kreis Nordfriesland und Dr. Wolfgang Sappert vom Bildungs- und Sportbüro der Stadt Flensburg, zusammengeschlossen, um gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern auf den inklusiven Prozess, in dem wir uns als Gesellschaft befinden, aufmerksam zu machen.

 

Im gleichen Schritt möchten die Projektkoordinatoren mit hochkarätigen Rednern und mit dem anwesenden Publikum laut ausrufen, dass jeder Mensch anders ist und ein Recht darauf hat, mit seinen Besonderheiten ein erfülltes Leben zu führen.

 

Die regionalübergreifende Konferenz „Übergang Schule und Beruf“ für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung findet statt am Dienstag, den 20. November 2012 um 14:00 Uhr im Bürgersaal der Kreisverwaltung Schleswig-Flensburg – Flensburger Straße – 24837 Schleswig.

 

Wir freuen uns über die Bekanntgabe des Termins, Ihre Teilnahme sowie redaktionelle Berichterstattung!

 

Den genauen Programmablauf inkl. Referenten entnehmen Sie bitte der Anlage.



Pressekontakt: Stadt Flensburg, Kathrin Ove

 

 

(Wie nähert man sich einem Thema, in dem es so viele individuelle Beispiele gibt?

Eine Möglichkeit ist das Vereinfachen und "Abstrakt-Halten":)

 

Die Geschichte der Schatzkarte zur In – sel – Klusion

 

Seit langer Zeit schippern wir, als Gesellschaft, auf dem „Ozean des Mit- und Gegeneinanders“ umher. Auf dem riesigen Schiff gibt es die Mehrheit. Alles ist auf die Mehrheit seit vielen Generationen ausgerichtet, damit das Schiff möglichst effektiv funktioniert.

Wer sich nicht an die Vorgaben hält oder halten kann, der gehört nicht dazu und bleibt außen vor. Das nennt sich Separation.

 

S p r t n   eaaio

(Die Übertragung von Separation auf das Wort selbst zeigt, dass man den Sinn nur erahnen kann, etwas massiv fehlt, um ein Verstehen und Gemeinsamkeit zu erreichen.)

 

Vor einiger Zeit hatte das Schiff auf einer Insel angelegt, die „Integration“ hieß. Einige Crewmitglieder stiegen aus und erkundeten die Insel. Beseelt und zum Teil besessen kamen sie zurück und begannen damit hier und dort auf dem Schiff die Gruppen, die zuvor separiert waren irgendwie in der Mehrheit unterzubringen. Dazu schrieben sie neue Regeln für das Schiff, führten Treffen und Veranstaltungen durch, passten einzelne Bedingungen auf dem Schiff einzelnen Minderheiten an – und tatsächlich passierte etwas. Mit der Angst der Mehrheit vor dem „anders sein“ wurde bewusster umgegangen. Die ersten feinen Spiegelungen einer Reflexion begannen.

Doch obwohl die Beseelten und Besessenen noch immer massiv die Inklusion als Allheilmittel verkauften wurde langsam deutlich, dass Integration „Duldung“ in der Mehrheit ist und nicht „Zugehörigkeit“ bedeutet. Die Schiffbesatzung greift auf ein gelerntes Denkschema zu, das Schwarz oder Weiß ist. So bedeutet Integration zunächst die Wahrnehmung von Unterschieden, um dann das vorher Getrennte wieder zusammenzufügen.

 

Entigrotian

(Die Übertragung von Integration auf das Wort selbst, bei dem alle Buchstaben vorhanden sind es aber bewusst wird, dass alle Buchstaben zusammen ein Wort ausmachen - die Vokale sind fast alle nicht passgenau, womit sich erneut ein gemeinsames Verstehen erschwert.)

 

Einige der Beseelten hielten etwas in der Hand und fragten: „Was ist, wenn wir einfach die beiden Schritte "Wahrnehmung von Unterschieden" und "Getrenntes zusammenfügen" weglassen und wir anerkennen, dass jeder von uns Barrieren, Fehler und Ressourcen besitzt. Wir haben auf der Insel Integration eine Schatzkarte gefunden, die für uns alle geschrieben ist. Wir müssen uns auf der In-sel-Klusion nur alle gemeinsam auf die Suche nach dem großartigen Schatz begeben.“

 

 

Soweit zur kleinen Geschichte.

 

Und genau an dieser Stelle sind wir auch schon am Knackpunkt unserer Arbeit im Projekt Übergang Schule und Beruf angekommen – und sicherlich ist es ebenso der Knackpunkt vieler anderer Akteure.

Inklusion ist in aller Munde, aber drei Engpässe hindern an der freien Arbeit daran:

  1. Definition
  2. "Vielfaltismus"
  3. verschieden, nicht gleich

 

  1. Die Definition des Wortes – und die bereits verbrannte Erde der Begrifflichkeit.

Wer das Wort „Inklusion“ in den Mund nimmt kassiert fast überall ein Naserümpfen und Augenbrauen-Hoch-Ziehen. Warum ist das so? Inklusion kann man nicht durch ein vergleichbares „verständliches“ Wort austauschen, da Inklusion ein hochkomplexes thematisches Gebilde ist. Schaut man sich die UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2006 an, schafft es selbst die offizielle deutsche Übersetzung nicht, konstant den Begriff „Inklusion“ zu nutzen. Lustig springt sie zwischen Integration, Hilfen, Eingliederung und Inklusion hin und her. Das verunsichert und bietet die Möglichkeit für „begrifflichen Wildwuchs“. Diesen bedient auch insbesondere die Politik. Nach der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonventionen 2008/2009 gab es einige Versprechungen, Maßnahmen, Projekte und Umsetzungen. Viel zu häufig kommen sie in der Bevölkerung als Aktionismus an, die nach Projektende wieder in der Senke verschwinden. Zudem gelten Maßnahmen, die zur Inklusion führen sollen oft als Etikettenschwindel, um Finanzdämpfung oder Einsparungen als etwas Fortschrittliches zu verkaufen. Andererseits fehlt die Transparenz des Themas „Inklusion“, die Intoleranz in der Bevölkerung schürt. „Warum kriegen die Behinderten und Ausländer die ganze Aufmerksamkeit, die sollen doch erst mal etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun.“ (sehr plakatives Beispiel – aber die Minderheitenfeindlichkeit ist tief verwurzelt)

 

  1. Inklusion ist kein Arbeitsauftrag – es ist ein „Ismus“

Der Umgang mit Inklusion mag auch so schwierig sein, da es keine klaren Handlungsschritte parat hat. Für mich hat es eine ganze Zeit gedauert bis ich gesehen habe, dass „Exklusion“, „Separation“ oder „Integration“ keine logische Abfolge der Gesellschaft ist zum „Guten“ zu streben und der ultimative Schritt nun die „Inklusion“ ist. Vielmehr besteht in unserer jetzigen Gesellschaft alles an unterschiedlichen Stellen parallel, oftmals sehr nah beieinander. Inklusion passt dabei irgendwie gar nicht in die vorherigen Begrifflichkeiten.

Gesetze zur Umsetzung von Inklusion sind ein wichtiger Schritt zur Ebnung von Möglichkeiten, jedoch kann Inklusion nicht funktionieren ohne ein Umdenken einer Gemeinschaft, eventuell dann sogar Gesellschaft. Inklusion passiert im Kopf jedes einzelnen Menschen. Es ist nicht wie die Integration ein Arbeitsprozess, sondern es ist eine Gesellschaftform – vielleicht sogar Gesellschaftsnorm.

Damit erfüllt Inklusion die Definition eines „Ismus“: es ist ein Abstraktum, oft ein Glaubenssystem, eine Lehre, eine Ideologie oder eine geistige Strömung in Geschichte, Wissenschaft, Gesellschaft oder Kunst. Inklusion ist eine Gesellschaftslehre.

Mit dem Wissen fällt es wesentlich leichter mit den kleinen gebackenen Brötchen zufrieden zu sein, die eine kommunale Koordination im Projekt Übergang Schule und Beruf bietet, ein Puzzleteil des gesellschaftlichen Umdenkens zu sein und mit größtem Respekt auf die tägliche Umsetzung der Integrationsfachdienste, Schulen und Eltern zu schauen.

 

  1. “We are Borg – Resistance is futile!” (Wir sind [die] Borg. Widerstand ist zwecklos.)

Dennoch bleibt in einem Großteil der Gesellschaft die Angst davor „gleichgeschaltet“ zu werden und wie in der Fernsehserie Stark Trek in das Kollektiv der Borg eingegliedert zu werden, einer Rasse, die komplett miteinander vernetzt ist, mit vereinter Intelligenz quasi unschlagbar wird, jedoch jede Individualität und Persönlichkeit verloren geht. (Übrigens der Grund, warum „Ismen“ meist scheitern, liegt darin die Natur des Menschen nicht zu beachten, sondern die Theorie über die Anwendung zu setzen.) Das Verankern der Werte der Inklusion wird der schwierigste auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft. Es muss eine Kultur der Diversität gelebt werden, es muss die Angst vor dem „anders sein“ abgebaut werden, es muss Interesse an dem anderen gestärkt werden, ein Schwarz-Weiß-Denken muss schier unbegrenzten Möglichkeiten weichen.

Auch wenn wir nie die inklusive Gesellschaft in Reinform erreichen können, ist es wert die eigene Energie für den nächsten Schritt dorthin einzusetzen. Dabei bedürfen die Übergänge der unterschiedlichen Systeme, wie Elternhaus, Frühförderung, Schule, Arbeit der besonderen Beachtung. Im lebenslangen Lerncurriculum fällt es leicht den ersten Schritt in der inklusiven Frühförderung zu sehen, da hier viele wichtige Grundlagen gelegt und Weichen gestellt werden.

 

(Dr. Marco Boehm)

 

zugehörige Prezi-Präsentation:

http://prezi.com/chuwofu1vwxv/inklusion-20-11-2012/?auth_key=4aec98a10cdd18c541fd53c9e1919a7edaa55e33